Nach 2.5 Jahren: Unser erster Heimat-Besuch

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Das erste Mal in Deutschland
nach über zwei Jahren...

Wir haben Deutschland verlassen, als das Corona-Thema gerade aufkam. Der erste Lockdown. Noch keine Masken. Aber ganz viel Angst im Nacken, wie sich die Welt in den kommenden Monaten verändern wird angesichts dieser Pandemie. Werden wir überhaupt wie geplant frei reisen können? Werden wir irgendwann deutschen Boden nur noch betreten dürfen, wenn wir geimpft sind? Gedanken, die uns durch den Kopf gingen, als wir Anfang 2021 unsere Heimat verließen und alles aufgaben, um ins Ungewisse zu starten. Gewappnet nur mit unseren Rücksäcken und ganz viel Abenteuerlust und Mut.

Zweieinhalb Jahre lang haben wir diese Welt bereist. Waren in Tansania, Südafrika und Albanien. Haben die wunderschönen Berge in Kappadokien gesehen und in Bangkok eine Art neue Heimat gefunden. Durften traumhafte Strände besuchen und unvergessliche Begegnungen erleben. Sind mit Meeresrauschen im Ohr eingeschlafen und haben undefinierbares Essen probiert. Wir haben ganz viel Neues gelernt und ganz viel sicher Geglaubtes wieder entlernt in dieser Zeit. Über die Welt. Und über uns.

Wir sind über uns hinaus gewachsen in einem Ausmaß, das wir uns bei der Abreise niemals hätten erträumen können.

Nach über 2 Jahren auf Reisen haben wir den Entschluss gefasst, unserer alten Heimat einen Besuch abzustatten. Wir wollten Freunde und Familie mal wieder in die Arme nehmen. An Familienfeiern live dabei sein, anstatt nur Fotos aufs Handy geschickt zu bekommen. Mal wieder Döner, deutsche Brötchen und ein ordentliches Würstchen mit Hela-Ketchup essen!

Kulturschock: Nach 2.5 Jahren wieder in Deutschland

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📸 📍 Burg Bad Bentheim, Deutschland

So kam es, dass wir Anfang Juli 2023 von Bangkok nach Frankfurt am Main reisten. Wir sind mit gemischten Gefühlen losgezogen. Da war natürlich ganz viel Vorfreude, klar! 

Aber auch Bedenken. 

  • Wie hat Deutschland sich verändert in der Pandemie?
  • Wie sehr werden uns die Preissteigerungen schockieren?
  • Werden wir uns noch zugehörig fühlen?

Die Wiedersehensfreude war riesig. Wir waren unfassbar aufgeregt! Und dann war es am Ende doch ganz unspektakulär, irgendwie. Denn – und das ist etwas Großartiges – bei eigentlich allen Menschen fühlte es sich so an, als hätten wir uns gestern das letzte Mal gesehen, und nicht vor über zwei Jahren. Glücklicherweise hatte die räumliche Trennung nicht dazu geführt, dass wir uns emotional von den Menschen entfernt haben, die uns am Herzen liegen. Welch‘ Erleichterung!

Aber es ist etwas passiert in diesem Land in den letzten Monaten. Wir haben unsere einstige Heimat Deutschland plötzlich mit ganz anderen Augen gesehen: Waren die Menschen hier immer schon so ruppig gewesen? Und so ungeduldig? Jeden Tag aufs Neue gab es Situation, die uns erstarren ließen angesichts des Umgangstons, den die Menschen sich untereinander entgegenbrachten – sei es die Verkäuferin gegenüber dem Kunden oder der Busfahrer gegenüber dem Fahrgast.

Ein Lächeln gegenüber Fremden wurde (viel zu) selten erwidert. Einmal wurde diese von uns nett gemeinte Geste sogar mit einem fiesen Schulterblick und der Frage „Wat will der denn?!“ quittiert.

Herzlichkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden scheinen selten geworden zu sein. Parallel zu den steigenden Preisen ist scheinbar auch der Frust der Deutschen gestiegen. Oder sind das Nachwehen und Auswüchse des ‚Social Distancing‘?

Wie auch immer: Wir hatten jedenfalls einen gewaltigen Kulturschock. So viele Regeln. So viel Unzufriedenheit. So viel Gejammer und Gemecker bei gleichzeitig so viel Wohlstand. So viel Kapitalismus und Konsum. Und gleichzeitig so wenig Achtsamkeit und Dankbarkeit.

In uns tobt ein Gefühlschaos...

In uns prallten vollkommen gegensätzliche Gefühle aufeinander. Irgendwie hatte sich nichts verändert – gut, ein Nachbar hatte einen neuen Zaun oder an der einen oder anderen Stelle war ein neues Haus gebaut worden.

Aber im Großen und Ganzen hatte sich rein äußerlich nicht wirklich was getan. Gleichzeitig haben wir selbst uns aber so krass geändert!

Es kam uns vor, als wäre die Zeit stehen geblieben, während wir weg waren.

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Immer stärker breiteten sich Widerstand und Unbehagen in uns aus. Ein Gefühl von „Ich gehöre hier nicht mehr her“ machte sich breit. Aber wo gehöre ich hin? Wir haben keine neue Heimat gefunden bisher, gleichzeitig spüren wir aber, dass das, was wir einst unsere Heimat nannten, nicht mehr der richtige Ort für uns ist. Kein Platz ist, an dem wir wachsen können.

Nach rund zwei Wochen in Deutschland waren wir emotional und körperlich erschöpft. Wir fühlten uns ausgelaugt und krank. Alte, chronische Beschwerden, die auf der Reise nur selten mal an unsere Tür geklopft hatten, wurden wieder überdeutlich spürbar.

Unverstanden

📸 📍 Sommer in Deutschland, Symbolbild

Wir erzählten von unseren Reise-Erlebnissen und stießen auf offene Ohren. Uns wurde ehrliches Interesse und echte Anteilnahme entgegen gebracht. Was für ein Geschenk! Aber während wir erzählten, spürten wir dennoch oft ein leises Gefühl des Unverstandenseins.

Eines Abends beim ins Bett bringen sagte Lennis ganz melancholisch einen Satz, der dieses Gefühl perfekt auf den Punkt bringt:

Hier sprechen zwar alle meine Sprache, Mama. Aber wirklich verstehen tut mich trotzdem niemand.“

Uff. Exakt so fühlten auch wir uns oft. Er hat (genauso wie wir Erwachsenen) eine deutliche Diskrepanz im Mindset zu den Menschen in Deutschland gespürt und konnte diese mit seinen frischen 6 Jahren erstaunlicherweise auch schon klar benennen.

Jeden Abend vor dem ins Bett gehen hatte er – so sehr er die aufregende Zeit in Deutschland auch genoss – noch mindestens eine Stunde (!) Redebedarf, um zu verarbeiten, was er an diesem Tag erlebt, gesehen und gehört hatte: Dinge, die er nicht einordnen konnte. Aussagen, die er nicht verstand. Ängste, die er nicht fühlte. Regeln, deren Sinn er nicht verstand. Streitigkeiten, die ihm Kummer bereiteten. Menschen, die sich gegenseitig gar nicht richtig zuhörten und sich nicht ausreden ließen. Zu viel Fernsehen. Viel zu viel Belangloses. Unendlich viele Wünsche und gleichzeitig so viel innere Unruhe…

Termine, Termine, Termine

Plötzlich lebten wir wieder nach dem Kalender. Hatten Termine und mussten auf die Uhrzeit achten. Dienstag um 16:00 Uhr zum Kaffee hier. Mittwoch um 18.00 Uhr zum Grillen dort. Das war für uns nicht nur ungewohnt, sondern auch extrem anstrengend. Wenn man daran gewöhnt ist, merkt man gar nicht mehr, wie sehr das entgegen der menschlichen Natur ist. Für uns war es unfassbar stressig, uns selbst plötzlich wieder in dieses durchgetaktete System pressen zu wollen, das in Deutschland gelebte Normalität ist.

Immer mehr Termine mussten wir absagen oder sie kamen gar nicht zustande, weil sechs Wochen schlichtweg zu kurz waren, um alle Freunde und Familienmitglieder zu sehen. Immer mehr laugten uns die ständigen Termine aus…

Halbzeit. Es muss sich was ändern.

Deutschland war das bisher erste Land, in dem Lenni irgendwann fragte, ob wir „nicht ein Flugzeug früher nehmen“ könnten. Er genoss es extrem, Zeit mit seinen gleichartigen Cousins verbringen zu können und ständig mit Geschenken und Süßkram überhäuft zu werden. Aber gleichzeitig war all das auch enorm anstrengend für ihn. Zu viel Aufmerksamkeit. Zu viel Disharmonie.

📸 📍 Glückliche Kinder - Lenni mit zwei seiner Cousins

Lauter kleiner Streitereien und Machtkämpfe. Ständiger Zeitdruck und latenter kontinuierlicher Stress. Was für viele vollkommen normal ist, kennen wir in unserer kleinen Familie und unserem (Reise-)Alltag nicht. Das wurde uns nun, als wir diese Dinge nach so langer Zeit mal wieder live miterlebt haben, erst so richtig bewusst. Wir haben uns ein Leben in Frieden erschaffen. In Harmonie und Respekt. Ohne Machtspielchen und Rumschreien. Natürlich ist das kein Zustand, den man einmal herstellt und bei dem man sich dann entspannt zurücklehnen kann – nein. Die Aufrechterhaltung dieses inneren und äußeren Friedens ist kontinuierliche Arbeit.

Aber darum soll es jetzt nicht gehen.

Als die Hälfte unserer Deutschlandzeit rum war, haben wir uns als Familie Zeit nur zu Dritt genommen, um einmal in Ruhe zu besprechen, wie es uns eigentlich geht. Zu sehr fühlten sich diese ersten drei Wochen an wie eine wilde Non-Stop-Achterbahnfahrt. Wir sprachen offen und ehrlich über unsere Gefühle und über unsere Bedürfnisse.

Wir alle waren gestresst.
Niemand von uns war in seiner Mitte.
Wir fühlten uns alle fremdgesteuert.
Wir hatten zu wenig Zeit als Familie nur zu Dritt.

Aus diesen Erkenntnissen zogen wir unsere Schlüsse und ließen die zweite Hälfte unseres Deutschlandbesuchs sehr viel ruhiger angehen. Wir verbrachten mehr Zeit in der Natur. Sagten viele geplante Termine ab – auch wenn das ein unendlich schlechtes Gewissen mit sich brachte. Uns fiel es nun leichter, unsere Grenzen zu wahren und uns von der destruktiven Energie, die im Außen an vielen Stellen in diesem Land in unseren Augen herrscht, nicht so viel anzunehmen. Wir feierten wunderschöne Geburtstage. Begannen, Wege „noch ein letztes Mal“ zu gehen. Nahmen Abschied. Der so unendlich schwer fiel…

Ist es okay, einfach wieder in unser Leben zurückzugehen
und hier alle mit ihren Herausforderungen und Problemen zurückzulassen?

Das Gefühl der Verantwortung flüsterte uns auf der einen Seite ein schlechtes Gewissen ins Ohr, während auf der andere Seite eine Melodie der Freiheit immer lauter hörbar wurde, je näher der Tag unserer Weiterreise rückte.

Deutschland war wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle für uns. Wir haben geweint, gelacht, gelitten und genossen. Es war intensiv. Und hat uns aufgezeigt, wie viel in den letzten Jahren eigentlich in uns passiert ist. Die Rolle, die wir dort gewohnt waren zu spielen, fühlt sich an wie ein Anzug, der uns viiiel zu klein geworden ist.

Der Ort, an dem unsere Wurzeln liegen,
hat uns unsere Flügel wieder ganz deutlich spüren lassen.

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Afrika.

Kein Ort auf dieser Welt hat uns bisher so nachhaltig beeindruckt. Uns zum Nachdenken angeregt. Uns staunen lassen. Die Rede ist von Afrika.

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    Author

    Kathi Wuttke

    Hallo, Welt. Ich bin Kathi. Jahrgang 1991, optimistische Weltverbesserin und Herzblut-Mama eines aufgeweckten Jungen. Mein Herz schlägt außerdem für Yoga, leckeres Essen, tiefe Gespräche und gute Texte – egal, ob lesend oder selbst zu Papier bringend. Ursprünglich komme ich aus Osnabrück im Norden Deutschlands, wo ich Marketing & Kommunikation studiert habe. In 2021 bin ich aufgebrochen in die Welt. Auf unbestimmte Zeit. Mit unbestimmtem Ziel. Seitdem bereisen wir als Familie die Welt und ich darf an diesen Erfahrungen wachsen. Ich lade Dich ein, uns ein Stück auf unserer Reise zu begleiten. Schön, dass Du da bist.

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