Hochsensibel auf (Welt-) Reise: Finde Dein Gleichgewicht

Berge, Meer, Wälder: Reisen bringen einen an die wunderbarsten Orte.
(oben: Sansibar, Jambiani - unten: Albanien, Gjirokastra)

Hochsensibel auf (Welt-) Reise: Finde Dein Gleichgewicht

Ohne Zeitdruck die Welt bereisen. Orte wie Sansibar, Thailand, Bali, Indien oder Japan Dein Zuhause nennen dürfen. Eine Weltreise ohne Enddatum ist ein riesiges Abenteuer und Privileg – ohne Frage. Doch als sensibler Mensch stellt mich, Kathi, dieser Lebensstil auch immer wieder vor große Herausforderungen.

In diesem Artikel beleuchte ich aus persönlicher Perspektive, wie es sich anfühlt, als hochsensibler Mensch auf Dauerreise zu sein und gebe Tipps für alle besonders sensiblen Personen auf Reise – und dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Reise für Monate ans andere Ende der Welt geht oder für ein paar Tage an den nächsten See um die Ecke.

Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?

Hochsensible Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Nervensystem Reize bis zu 5x intensiver verarbeitet als das der meisten Menschen. Geräusche, Menschenmengen, neue Umgebungen – all das kann für Hochsensible schnell überwältigend sein, was zu Überreizung führen kann. Die zeigt sich durch emotionale und körperliche Symptome wie z.B. Erschöpfung, Kopfschmerzen, Verspannungen, innere Anspannung, Schwitzen, Reizbarkeit und Fluchtinstinkt bis hin zum „Blackout“.

Was jetzt vielleicht erstmal wie etwas Schlechtes klingt, ist gleichzeitig auch ein Segen. Denn während Hochsensibilität auf der einen Seite zu vermehrtem Stress sorgen kann, sind hochsensible Menschen auf der anderen Seite auch besonders empfänglich für Schönheit, Details und Stimmungen. Sie nehmen selbst kleinste Details wahr, die anderen entgehen – sei es in Gesprächen, Stimmungen oder Kunst und Musik.

Außerdem haben hochsensible Menschen eine hohe Empathie und spüren sehr deutlich, wie es anderen geht – wodurch sie besonders gut trösten oder unterstützen können. Viele Hochsensible haben eine ausgeprägte künstlerische Ader und eine sehr ausgeprägte Intuition. Sie erkennen instinktiv Disharmonien in Teams, Räumen oder zwischen Menschen und suchen nach Lösungen für das große Ganze. Die meisten Menschen mit Hochsensibilität fühlen sich zudem sehr stark mit Natur und Tieren verbunden.

Du siehst also: Die Medaille hat zwei Seiten.
So viele Reize. Da braucht es öfters mal eine Pause.
(Sansibar, Stonetown)
Wind im Haar. Salz auf der Haut. Wellen in den Ohren. Happy me.
(Südafrika, Knysna)

Hochsensibel auf Reisen

Viele hochsensible Menschen blicken aus zwei Perspektiven auf eine Reise: Einerseits bietet sie Raum für spannende Erlebnisse, Erholung und anregende Eindrücke, andererseits können Reizüberflutung, Stress und fehlende Rückzugsmöglichkeiten eine Reise extrem anstrengend machen. Zu verreisen hat also auf der einen Seite zwar das Potential, die eigenen Batterien zu füllen, es birgt aber gleichzeitig das Risiko, mehr Kraft zu rauben, als zu geben. Das gilt sicher für jeden Menschen, für Hochsensible aber vermutlich nochmal etwas mehr. Warum?

Nun, für hochsensible Menschen ist es herausfordernder, zu verreisen, weil sie Umwelteinflüsse noch intensiver wahrnehmen und verarbeiten als die meisten Menschen – so werden Lautsprecherdurchsagen am Flughafen, Menschenmengen an belebten Plätzen oder grelles Licht in einer Bankfiliale schnell zum Albtraum und münden in einer Reizüberflutung.

Zudem können unbekannte Orte, ungewohnte Abläufe und unvorhergesehene Situationen (z. B. Verspätungen) bei Hochsensiblen besonders viel Stress verursachen, weil sie ein starkes Sicherheits- und Vorhersehbarkeitsbedürfnis haben. Hochsensible nehmen außerdem Stimmungen und Energien anderer stark wahr. In fremden Kulturen oder Menschenansammlungen kann das anstrengend sein, da sie unbewusst viele Reize verarbeiten.

Während andere scheinbar problemlos von einem Programmpunkt zum nächsten hüpfen und abends noch in der Bar die Nacht zum Tag machen, brauchen hochsensible Menschen (auf Reisen) mehr Pausen und Rückzugsorte, um die Eindrücke zu verarbeiten und sich zu regenerieren. Bei Gruppenreisen oder in Hostels ist das manchmal schwer. Ein Grund übrigens, warum wir in der Regel nur Unterkünfte mit zwei Schlafzimmern buchen – ohne das Gefühl, mich zurückziehen zu können, ist es einfach herausfordernd für mich.

Zwischen Soul Food & Street Food: Essen auf Reisen kann für Hochsensible besonders herausfordernd sein
(alle Fotos: Thailand, Bangkok)

Zwischen Auftanken & Auslaugen...

So schön wie die Altstadt von Kyoto ist, so voll ist sie auch.
Da braucht es als hochsensibler Mensch ruhige Orte abseits der Menschenmassen, um die Reize zu verarbeiten.

Laute Geräusche, viele neue Eindrücke, ungewohnte Gerüche, unbekanntes Essen, klimatische Umstellungen – all das kann schnell zum Meltdown führen. Gleichzeitig sind all diese Erfahrungen, Landschaften und Begegnungen Futter für unsere Seele – die Erlebnisse auf Reisen lassen uns wachsen und die Gedanken nur so sprudeln! Reisen ist also Quelle der Inspiration und Erschöpfung gleichermaßen – für jeden, aber für hochsensible Menschen nochmal mehr.

Nach vier Jahren auf Dauerreise weiß ich inzwischen ziemlich genau, welche Orte und Umgebungen mir gut tun, und welche nicht. Wobei dies nicht immer konstant bleibt – die Frage ist nämlich immer: Wonach sehne ich mich gerade? Was brauche ich jetzt? An einem einsamen Strand den Wellen lauschen? Die unendliche Weite der Berge spüren? Mich in der Anonymität einer lebendigen Großstadt treiben lassen? Alles ist möglich. Ich muss „nur“ wissen, was ich brauche. Was zugegebenermaßen oftmals gar nicht so leicht zu erkennen ist…

Was ich inzwischen gelernt habe: Insbesondere in lebendigen Ländern wie Indien, in denen es unfassbar laut und wuselig ist, wo überall extreme Gerüche, Farben und ein ständiges Gehupe herrscht, brauche ich einen sicheren Rückzugsort, um mich zu regenerieren! Unser menschlicher Körper leistet erstaunliche Arbeit und gewöhnt sich an vieles. Nach einigen Wochen in Indien kommt einem das Ganze zum Beispiel gar nicht mehr so wuselig vor. Oft merkt man erst am nächsten Ort bzw. im nächsten Land, inwieweit das Nervensystem am vorherigen Ort (über)angepasst war. Dennoch lösen solche Orte einen konstanten Stresspegel aus – und dem gilt es entgegenzuwirken, wenn die Reise nicht zum Energieräuber werden soll.

Tipps für Hochsensible auf Reisen

Nach vier Jahren ohne festen Wohnsitz und viel Zeit sowohl in Europa, Afrika und Asien kann ich inzwischen auf ein Repertoire an Maßnahmen zurückgreifen, das dafür sorgt, dass eine Reise mich (meistens) nicht überfordert und ich mich wohl und sicher fühlen kann.

In diesem Abschnitt möchte ich mit Dir teilen, wie ich als hochsensible Person es schaffe, ein Leben ohne festen Wohnsitz zu führen und ohne ständig in einer Reizüberflutung zu landen. Hier kommen einige Erkenntnisse aus meiner eigenen Reise, von denen ich hoffe, dass sie nützlich sind für die eine oder andere hochsensible Person, die eine lange oder kurze Reise unternimmt:

1) Schaffe Dir ein Stück „Heimat“

Was ich schnell bemerkt habe: Wenn mein Zuhause die Welt ist, dann brauche ich Ankerpunkte, die mir Sicherheit geben. Mir hilft es, mir stets ein Stück Vertrautheit zu bewahren – sei es durch Routinen, Rituale oder bekannte Orte. Zum Beispiel gibt es weltweit vorhandene Café- oder Restaurant-Ketten, bei denen ich genau weiß, was mich erwartet. Diese Vertrautheit gibt mir Sicherheit in Situationen, wo alles andere um mich herum neu und überwältigend ist. Ebenso suche ich gerne immer wieder die gleichen und für gut befundenen Restaurants auf, solange wir an einem Ort sind.

Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl. Wenn Du das im Herzen trägst, bist Du nirgendwo auf der Welt wirklich allein oder verloren. Ein vertrauter Gegenstand wie ein Kuscheltier oder ein Kissen kann helfen, dieses Stück Heimat überall zu fühlen.

2) Weniger Planung, mehr Spontaneität

Ein komplett durchgetakteter Reiseablauf ist für mich purer Stress: Montag tauchen, Dienstag Kochkurs, Mittwoch Stadtführung – nein, danke! Ich brauche Freiraum, um morgens in mich hinein spüren zu können, worauf ich heute Lust habe und was ich heute brauche. Abenteuer oder Ruhe? Alleinzeit oder Gesellschaft?

Für mich gilt: Weniger ist mehr. Ich kann Dich nur ermutigen, Dir auf Reisen ausreichend Raum für Spontaneität zu lassen, auch wenn das bedeutet, den einen anderen Programmpunkt am Ende vielleicht nicht machen zu können. Mein Rat: Gib Kontrolle ab, lass los – denn erst hier die echte Magie! Nicht nur auf Reisen, sondern generell.

3) Finde Dein Gleichgewicht zwischen Reiz & Ruhe

Neue Orte bringen neue Eindrücke – und die saugen wir Hochsensiblen förmlich auf. Das ist wunderschön, kann aber auch anstrengend sein. Deswegen achte ich darauf, meine Tage nicht zu überladen. Lieber mache ich nur eine Unternehmung pro Tag, die ich dafür aber ganz bewusst genieße, anstatt von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu hetzen, das Gefühl zu haben, nirgendwo richtig ankommen und eintauchen zu können, und spätestens am Nachmittag völlig am Ende zu sein.

Nach einem Tag voller Abenteuer lass den nächsten Tag vielleicht lieber ruhig angehen. Finde Deine ganz eigene Balance aus anregenden neuen Impulsen und Zeit, diese Reize in Ruhe zu verarbeiten. Akzeptiere, dass diese Zeit zur Reizverarbeitung bei Dir womöglich länger dauert als bei Menschen, die nicht hochsensibel sind. Nimm Dir Deine Zeit. Mach es zu DEINER Zeit. Nicht nur auf Reisen. Immer.

Bangkok ist eine anstrengende Beton-Hölle? Von wegen! Auch hier gibt es Orte zum Durchatmen und Erden.

4) Wähle Deine Reisebegleitung bewusst

Reisen kann auch dann anstrengend sein, wenn die Menschen um Dich herum ein anderes Tempo oder andere Bedürfnisse als Du haben. Während ich vielleicht nachmittags eine Pause brauche, wollen Nico und Lenni womöglich den ganzen Tag auf Achse sein. Offene Kommunikation hilft – sowohl im Vorhinein bei der Reiseplanung als auch unterwegs.

Es sollte vorab klar sein, welche Erwartungen alle Beteiligten an die Reise haben und welche Vorstellungen und Wünsche vorherrschen. Da erfahrungsgemäß vor Ort dann vieles oft nochmal ganz anders kommt als gedacht, ist es wichtig, dass alle ihre Grenzen möglichst klar kommunizieren. Uns hilft es auch sehr, die Energien einfach mal bewusst aufzulösen, und nicht immer alles gemeinsam zu unternehmen. So bekommt jeder auch mal Raum für Me-Time.

5) FOMO loslassen und im Moment sein

Beim Reisen gibt es oft diesen unterschwelligen Druck, die spektakulärsten Orte gesehen und die aufregendsten Erlebnisse eines Reiseziels „mitgenommen“ zu haben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Sobald ein solcher Druck entsteht, verliert das Reisen seinen ganzen Zauber. Zu groß ist oft die Enttäuschung, wenn die Orte, die auf Instagram und in Video-Berichten so toll aussahen, sich in echt als Touri-Traps und Scam-Höllen entpuppen, die keinerlei Charme haben.

Anstatt den vermeintlichen „Hotspots“ hinterherzujagen und Dich in den ganzen vermeintlichen „Must Dos“ zu verlieren, erschaffe Dir Deine ganz eigenen Highlights der Reise! Am Ende sind es nicht fürs Foto inszenierten Momente, die eine Reise wertvoll machen, sondern die Lebendigkeit, die Du verspürst, wenn Du vollkommen im Hier und Jetzt bist.

6) Ich packe in meinen Koffer…

Wir reisen seit vielen Jahren nur mit Handgepäck. Weniger als 10 Kilogramm pro Person ist unser gesamter Besitz. Ich kann Dich also nur ermutigen, beim Packen nach der Prämisse vorzugehen: So minimalistisch wie möglich. Ich weiß, dass gerade als hochsensible Person meistens alles perfekt geplant und durchdacht sein soll. Aber ich kann aus eigener Erfahrung versichern: Es braucht sehr viel weniger an materiellen Dingen, als viele Menschen annehmen. An dieser Stelle muss ich einen Spruch zitieren, der einfach zu hundert Prozent passt: Es reist sich besser mit leichtem Gepäck. Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.

Wähle gewohnte Kleidung, mit der Du Dich wohlfühlst. Nimm anstelle von Shampoo und Duschgel lieber Dein Lieblingskissen mit – denn das ist nicht ersetzbar, wohingegen Du Waschzeug überall auf der Welt kriegst. Pack ein Journal ein, falls Du eines hast. Und, für belebte Orte wie den Flughafen lohnen sich geräuschunterdrückende Kopfhörer und etwas zum gemütlich Einmummeln.

Ein Ticket-Schalter in Tokio, ein TukTuk in Tansania und eine Kutsche auf der Auto-freien Insel Gili Air. Reisen hat viele Gesichter.

Fazit: Dein Weg. Dein Tempo.

Hochsensibilität und ein Leben auf Weltreise schließen sich nicht aus – sie erfordern nur ein wenig mehr Achtsamkeit. 

Lerne, auf Dich selbst zu hören, Dich nicht zu überfordern und Dir selbst ein Gefühl von Heimat zu erschaffen. Dann kann das Leben als Nomade genau das sein, was es sein soll: 

Eine Reise, die Dich bereichert, anstatt Dich auszulaugen.
Weltreise & Hochsensibilität schließen sich nicht aus!
(Südafrika, Kapstadt)
Welche Erfahrungen hast Du mit Reisen und Hochsensibilität gemacht?
Teile sie gern mit mir.

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    Author

    Kathi Wuttke

    Hallo, Welt. Ich bin Kathi. Jahrgang 1991, optimistische Weltverbesserin und Herzblut-Mama eines aufgeweckten Jungen. Mein Herz schlägt außerdem für Yoga, leckeres Essen, tiefe Gespräche und gute Texte – egal, ob lesend oder selbst zu Papier bringend. Ursprünglich komme ich aus Osnabrück im Norden Deutschlands, wo ich Marketing & Kommunikation studiert habe. In 2021 bin ich aufgebrochen in die Welt. Auf unbestimmte Zeit. Mit unbestimmtem Ziel. Seitdem bereisen wir als Familie die Welt und ich darf an diesen Erfahrungen wachsen. Ich lade Dich ein, uns ein Stück auf unserer Reise zu begleiten. Schön, dass Du da bist.

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